Daria Kirillova, 24 Jahre, Frau eines ukrainischen Soldaten Wo waren Sie, als die Invasion begann?
Am 24. Februar war ich zu Hause in Kyjiw. Wir haben unsere Sachen gepackt und fuhren ins Dorf Klavdievo-Tarasov, in der Oblast Kyjiw. Von dort kommt mein Mann. Erist sofort zum Militärkommissariat gegangen, um in die Armee eingegliedert zu werden. Russische Soldaten sind durch unsere Straße gegangen, aber es war keine wirkliche Besatzung. Sie haben unser Dorf nur als Durchfahrt genutzt. Das war die Straße zwischen Butscha und Borodyanka. Dort war ich genau ein Monat. Mein Mann war in der ganzen Zeit in der Armee. Am 23. März bin ich aus dem Gebiet geflohen - ins ukrainisch kontrollierte Zhytomyr, nach Lwiw und später nach Schweden.  Wo leben Sie heute?
Ich bin am 9. Mai aus Schweden nach Kyjiw zurückgekehrt. Seitdem bin ich hier. Was ist Ihr größtes Problem seit der Invasion?
Die Situation mit meinem Mann ist das größte Problem. Natürlich hatte ich auch große Angst, als wir besetzt wurden. Es war laut. Rund um die Uhr gab es Explosionen. Es war unklar, was morgen oder auch in einer Minute passieren wird. Ich wusste selten, wo mein Mann eingesetzt ist und wie es ihm geht. Dass die russische Armee so nah an mir dran war, machte mir Angst. Wir hatten keine Mobilverbindung. Das stresst einen und ich konnte irgendwann nichts mehr essen. Es kam so weit, dass meine Familie mich nach einer Woche gezwungen hat, wieder etwas zu essen.  Haben Sie am Anfang daran geglaubt, dass die Ukraine sich verteidigen kann?
Ja. Glaubst du, die Ukraine wird sich verteidigen können?
Natürlich. Ich glaubte das damals und besonders glaube ich es heute Wird die Ukraine den Krieg gewinnen?
Ja. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wie es ablaufen wird. Aber ich glaube daran. In Deutschland gibt es Leute, die sagen, dass die Ukraine aufgeben sollte, damit das Blutvergießen beendet wird. Was sagen Sie dazu?
Wenn andere Länder denken, dass die Ukraine ihr Land aufgeben soll, um den Krieg zu beenden, dann sollten diese Länder auch ihr Land aufgeben. Wenn wir unser Land aufgeben, wird der Krieg nicht zu Ende sein. Wenn wir zum Beispiel Donezk aufgeben, wird die russische Armee weiterkämpfen. Und weiter, weiter und weiter.  Was ist Ihr größter Wunsch?
Es ist egoistisch, aber mein Wunsch ist, dass mein Mann nach Hause kommt. Natürlich wünschen sich alle, dass wir gewinnen. Aber ich will zuallererst, dass mein Mann nach Hause kommt. Was würden Sie heute machen, wenn es keine Invasion gegeben hätte?
Ich würde mein Haus fertig renoviert haben. Ich habe die Wohnung einen Monat vor der Invasion mit meinem Mann gekauft. Und: Wir hätten wohl schon Kinder geplant. Wo haben Sie vor der Invasion gearbeitet?
Für das ukrainische Medium “Suspilne”. Wo arbeiten Sie heute?
Im Moment bin ich arbeitslos und sitze zu Hause. Wegen des Krieges wurden Stellen abgebaut. Glauben Sie, man sollte der russischen Armee vergeben?
Daria schweigt. Ungefähr nach 20 Sekunden schüttelt sie ihren Kopf und sagt: "Niemals".
Nach einige Zeit sagt sie: “Ich werde bestimmt nicht verzeihen, aber ich denke, dass es Leute gibt, die verzeihen werden.  Wahrscheinlich sind das Leute, die das alles nicht miterlebt haben.” Sollte die Ukraine mit Russland verhandeln?
Es macht wenig Sinn. Russland wird sich nicht an Verträge halten. Das haben sie noch nie. Haben Sie Angst vor einem atomaren Angriff?
Ich mache mir nicht so viel Sorgen darüber. Denn wenn dieser Schlag kommt, werden wir keine Zeit mehr haben, um nachzudenken.